Henning Homann, MdL Aktuelle Debatte im Sächsischen Landtag
Hochwasserschutz in Sachsen
Rede des Abgeordneten Henning Homann vor dem Sächsischen Landtag am 20. Januar 2011
+++ Es gilt das gesprochene Wort +++
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Das aktuelle Hochwasser in Sachsen zeigt, wie wichtig eine funktionierendes Gemeinwesen in den betroffenen Städten und Gemeinden in Sachsen ist. Trotz aller geleisteten Hochwasserschutzmaßnahmen kann es und kommt es immer wieder zu lokalen Katastrophen, die betroffene Familien, Unternehmen und Kommunen vor große, manchmal existenzielle, Probleme stellen.
„Ein Dorf - eine Hilfe“
Eins der jüngeren Beispiele ist der Dammbruch in der Gemeinde Niederstriegis in Mittelsachsen. Am 08. Januar um 14:30 brach der Damm des Regenrückhaltebeckens oberhalb des Ortsteils Otzdorf an der B 169. 70.000 Kubikmeter Wasser fluteten innerhalb weniger Minuten das Dorf.
Doch schon zuvor schlugen Feuerwehr und Warnsysteme Alarm. Einwohner, Haustiere, wichtige Sachen aus Kellern und Erdgeschossen konnten so in Sicherheit gebracht werden. Sandsäcke konnten gestapelt werden, die Feuerwehr der Nachbargemeinde eilte den Otzdorfern zur Hilfe. Die Polizei unterstützte die Aktion mit zwei Gruppen von Bereitschaftspolizisten und warnten weitere Ortschaften. Bereits eine dreiviertel Stunde nach dem Dammbruch begannen sechs Laster einer ansässigen Firma damit, in 70 Fuhren jeweils 20 Tonnen Gestein heran zu schaffen, um das riesige Loch zumindest provisorisch zu schließen. Erfolgreich.
Die enge Zusammenarbeit aller Kräfte von den Feuerwehren in und um Niederstriegis, der Polizei, der Gemeindeverwaltung wie auch der Kreisverwaltung, des Bürgermeisters der seit Freitag selbst die Dammwache übernommen hatte, der Gemeinderäte, der umliegenden Unternehmen, der betroffenen Anwohner und der nicht betroffenen Anwohner, eben diese enge Zusammenhalt hat Personenschäden und weitere Sachschäden verhindert. Dies hat exemplarisch unsere Anerkennung und unseren großen Dank verdient.
Unter dem wohl gewählten Motto: „Ein Dorf - eine Hilfe“ wurde beim Aufräumen geholfen. Die betroffenen Familien, die nicht in ihren Häusern bleiben konnten, wurden mietfrei in einem Neubau untergebracht. Weitere Unterstützung aus der Familie, von Freunden und Bekannten half diese mit dem Nötigsten auszustatten. Das ist Verantwortung. Das nenne ich gelebte Solidarität. Es ist gut, dass die Not vor Ort auch Brücken zwischen den Parteien baut. Mein CDU-Kollege Sven Liebhauser könnte hier ebenso stehen und berichten, denn in Niederstriegis wird überparteilich gearbeitet. Dafür mein ganz persönlicher Dank.
Es gibt keine Sündenböcke
Wie selbstverständlich wurde erst geholfen, bevor die ebenso notwendige Frage nach der Verantwortung für den Dammbruch gestellt wird. Wie konnte ein Damm, der erst zwei Jahre alt ist, brechen? Ein Planungsfehler? Ein Fehler beim Bau oder Mängel bei der Dammpflege? Mich persönlich beeindruckt schon mit welcher Souveränität mit der vermeintlichen Verantwortung umgegangen wird. Denn: Es beginnt nicht sofort die Suche nach dem Sündenbock. Und: Verantwortungsträger schließen auch eigene Versäumnisse nicht schon zu Beginn kategorisch aus. Es ist sowohl ein Zeichen persönlicher Integrität als auch politischer Größe, dass das bekannte Spiel von Gutachten und Gegengutachten ausbleibt und ein Bürgermeister bewusst seinen Stellvertreter mit der Öffentlichkeitsarbeit in der Sache beauftragt, weil er sich selber zum Kreis der möglichen Verantwortlichen zählt. Auch das ist ein Zeichen für einen auf Vertrauen basierenden Zusammenhalt, von dem wir als „große Politik“ noch etwas lernen können.
Den Zusammenhalt vor Ort unterstützen
Damit sind wir bei der Frage unserer Verantwortung als Freistaat. In vielen Städten und Gemeinden warten die Bürger noch immer auf den dringend notwendigen Hochwasserschutz. 351 Vorhaben hatten nach der Jahrtausendflut 2002 höchste Priorität. Nur jedes fünfte, also 72 Maßnahmen, wurden bis heute umgesetzt. Das ist absolut unbefriedigend, wie der Ministerpräsident erst einräumen musste. Die Staatsregierung muss Ihren Versprechen nach eine Beschleunigung des Hochwasserschutzes in Sachsen nun Taten folgen zu lassen.
Doch wie der Fall Niederstriegis zeigt, auch der beste Damm ist keine Garantie. Deshalb ist es wichtig: Ein wirksamer Versicherungsschutz muss für alle Bürgerinnen und Bürger möglich und bezahlbar sein. Das gilt leider noch nicht für Alle. Wer bei Elementarschäden der Risikoklasse (ZÜRS) IV zugeordnet wurde, verlor in vielen Fällen seinen Versicherungsschutz oder konnte keine neue Versicherung abschließen. Das betrifft 17.000 Haushalte in Sachsen. Wir Landtagsabgeordnete kennen jene besorgten Bürger aus unseren Bürgerbüros vor Ort und wir wissen: Diese Menschen wollen eigenverantwortlich vorsorgen, können aber nicht. Die Versicherungen spielen nicht mit. Und hier sind wir als Politik gefragt. Der Versicherungsgipfel ist schon ein viertel Jahr her. Es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, dass die Versicherungen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Die Rosinen herauspicken gilt nicht. Versichern muss möglich sein.
Bis dahin gilt: Eine Solidargemeinschaft zu sein heißt dort zu helfen, wo Menschen in existenzieller Not sind. Hier steht der Freistaat, hier stehen wir Alle in der Verantwortung. Wie in Niederstriegis und vielen anderen sächsischen Gemeinden. Nehmen wir uns die fleißigen Fluthelfer zum Vorbild.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.